DENTALE LOKALANÄSTHESIE: INDIVIDUELL AUSGERICHTET UND SCHONEND ZUGLEICH

Dr. Muhle News   •   26. April 2016

Die Anforderungen an eine für den Patienten sichere und verträgliche dentale Lokalanästhesie
bestimmen neben der Art des Eingriffs auch die körperliche Konstitution und den Erkrankungsstatus des Patienten. Die
Schmerzausschaltung sollte stets individuell angepasst werden. (1) Dafür bieten Lokalanästhetika mit unterschiedlich konzentrierten Vasokonstriktoren und Präparate ohne Adrenalin in der Praxis eine größtmögliche Flexibilität.

Lokalanästhesie

1: Ausangssituation mit frakturiertem 42. 2: Veneer 42 auf dem Modell 3: Ansicht nach adhäsiver Befestigung

Deutlich wird die patientenbedingte Notwendigkeit einer individuellen Lokalanästhesie an zwei männlichen Patatienten, die sich für die Eingliederung einer Krone bei uns in Behandlung befinden. Auf den ersten Blick ähneln sich beide Patienten: Sie sind um die 50 Jahre alt und weisen die gleiche körperliche Konstitution auf. Es gibt keine äußeren undunmittelbar wahrnehmbaren Anneichen für eine Risikoeinstufung. Beim obligatorischen Blick in die Patientenakte wird der Unterschied deutlich:
Bei einem der beiden Patienten ist ein Engwinkelglaukom diagnostiziert. Diese Erkrankung wird im Rahmen der Standardanamnese in unserer Praxis bei der Aufnahme des Patienten abgefragt. Regelmäßige Aktualisierungen alle zwei Jahre stellen sicher, dass hinzugekommene Erkrankungen bei bekannten Patienten erfasst werden. Auch im Aufklärungsgespräch prüfen wir nochmals die aktuellen Gegebenheiten.

ZWEI ÄHNLICHE EINGRIFFE

Auf diese Weise können wir auch den 54-jährigen Patienten als für die Lokalanästhesie risikobehafteten Patienten identifizieren. Er ist seit einigen Jahren Patient in unserer Praxis, stellt sich nun außerhalb der Routineuntersuchungen mit einer Fraktur am Frontzahn 42 vor (Abb. 1). Voraus ging der Aufbiss auf einen harten Bestandteil des Essens.

Im Sinne einer ästhetischen und funktionalen Restauration entscheiden wir uns für die adhäsive Versorgung mit  einem Veneer (Abb. 2 und 3). Eine ähnliche Behandlung steht einem 48-jährigen Patienten bevor: Statt eines Frontzahnes ist bei ihm der Molar 36 mit einer Krone zu versorgen.  Der Zahn erhielt bereits mehrere Kavitätenpräparationen. Die Stabilität der residualen Krone war zuletzt stark  eingeschränkt.
Eine vollkeramische Krone (Abb. 4) soll den Zahn seiner vollwertigen Funktion wieder zuführen. Nach der  Präparation des Kronenstumpfes (Abb. 5) nahmen wir den Abdruck und ließen die Krone fertigen. Die adhäsive  Befestigung erfolgt in einem Folgetermin (Abb. 6).

Lokalanästhesie

4: Vollkeramische Krone 36 auf dem Modell

ZWEI UNTERSCHIEDLICHE LOKALANÄSTHESIEN

Sowohl für die Präparation des Zahnes  als auch für die adhäsive Befestigung der Krone ist die dentale Lokalanästhesie angezeigt. Wir verwenden in der Praxis 4%iges Articainhydrochlorid (Ultracain, Sanofi), womit wir hinsichtlich Produktqualität, schnellem Wirkeintritt, guter Wirkungstiefe und optimaler Patientenverträglichkeit die  beste Erfahrung gemacht haben. Ultracain bietet uns mit zwei verschiedenen Adrenalinkonzentrationen und mit einem Präparat ohne Adrenalin eine große Flexibilität, um die Anästhesie individuell auf den Patienten und die Behandlung anzupassen.

Bei Routineeingriffen wie der Präparation und Befestigung einer Krone vertrauen wir häufig auf die moderate Adrenalinkonzentration von 1:200.000 (Abb. 7). Auf die höhere Konzentration  von 1:100.000 setzen wir vor allem  bei chirurgischen Eingriffen. Dabei schätzen wir die größere Blutleere am Ort des Eingriffes. Die 4%ige Wirkstoffkonzentration gewährleistet bei beiden Präparaten eine für den jeweiligen Zweck ausreichend lange und tiefe Wirkung.

Die Lokalanästhetika zeichnen sich durch ihre hohe Wirkzuverlässigkeit und Verträglichkeit für den Patienten aus. Es ist dennoch bekannt, dass die Vasokonstriktoren häufiger zu Komplikationen führen können als der Wirkstoff  Articain selbst. (2) Neben multimorbiden Patienten und denjenigen mit kardiovaskulären Erkrankungen gibt es weitere Einschränkungen, die gegen eine Lokalanästhesie mit Vasokonstriktor sprechen.(3)Oftmals erfordert die Behandlungsdauer auch keine durch Adrenalin verlängerte Wirkzeit.

KONTRAINDIKATION FÜR VASOKONSTRIKTOR: ENGWINKELGLAUKOM

Lokalanästhesie

5: Ausgangssituation mit präpariertem Kronenstumpf 36.  6: Ansicht nach adhäsiver Befestigung der Krone  7: Ultracain-Ampullen mit der Adrenalinkonzentration 1:200.000 (oben) und ohne Adrenalin (unten)  8: Injektion des vasokonstriktorfreien Lokalanästhetikums als Leitungsanästhesie des Nervus mentalis am  Foramen mentale

Als Kontraindikation für die Injektion von Adrenalin gilt ein Glaukom mit engem Kammerwinkel.(1) Daher entscheiden wir uns bei dem Patienten mit Engwinkelglaukom bei allen Behandlungsschritten für die Leitungsanästhesie des Nervus mentalis am Foramen mentale mit Ultracain ohne Adrenalin (Abb. 8), um das Unterkieferfrontzahngebiet ab dem ersten Prämolaren zu anästhesieren. Dazu wird intraoral die Kanüleapikal der  Wurzelspitzen zwischen den beiden Prämolaren von lateral bis zum Knochenkontakt vorgeschoben und nach  negativer Aspiration werden etwa 0,5 bis 1 ml injiziert. Nach einer Latenzzeit von fünf Minuten erzielen wir die vollständige Anästhesie, die wir auch von Präparaten mit Vasokonstriktor kennen.
Auch die Wirkdauer stellte sich für den etwa 30-minütigen Eingriff als ausreichend heraus. Käme es während der Behandlung zu unerwarteten Verzögerungen, würden wir bei Bedarf im Rahmen der fraktionierten Anästhesie die Wirkdauer durch Nachspritzen verlängern können. Bei einer späteren Nachuntersuchung gibt der Patient eine postoperative Weichgewebsanästhesie von etwa 30 Minuten nach Verlassen der Praxis an.

FAZIT: ES GEHT AUCH OHNE ADRENALIN

Die Literatur im Allgemeinen und die beiden skizziertenBehandlungsfälle im Besonderen zeigen, dass es nicht die eine lokalanästhetische Lösung für alle Patienten geben kann. Ziel muss es sein, eine auf den Patienten zugeschnittene, für ihn sichere und für den Eingriff adäquate Schmerzausschaltung zu erreichen. Eine zuverlässige  Anamnese stellt sicher, dass auch auf den ersten Blick nicht ersichtliche Erkrankungen berücksichtigt werden. Auch wenn wir in anderen Fällen die Vorzüge des moderaten Vasokonstiktor-Einsatzes von 1:200.000 schätzen, hat sich das adrenalinfreie Lokalanästhetikum für Routineeingriffe, bei Risikopatienten und Adrenalin-Kontraindikationen  als adäquate Alternative bewährt. Die sehr gute Zuverlässigkeit, Wirktiefe und Verträglichkeit von Ultracain ohne  Adrenalin stehen den vasokonstriktorhaltigen Präparaten in nichts nach. Zudem profitieren die Patienten nach der  Behandlung von einer geringen postoperativen Weichgewebsanästhesie.

(1) – Daubländer und Kämmerer. Lokalanästhesie im Alter.
zm – Zahnärztliche Mitteilungen 2012; 102: 38–45.
(2) -Halling. Zahnärztliche Pharmakologie. Spitta Verlag GmbH & Co. KG. Balingen, 2008.
(3) – Halling. Dentale Lokalanästhesie mit Articain – Adrenalinkonzentration auf individuelle Patientenkonstitution und Indikation abstimmen.
zm – Zahnärztliche Mitteilungen (19/2015).

Zu finden auf:

www.zwp-online.info

Zahnarzt Wirtschaft Praxis (ZWP), Augabe April 2016, S. 98 – 100